Eine Frau, zwei Ausweise (5/6)

August 2014

Ich sage die Wahrheit, aber niemand scheint mir zu glauben. Zeugen wollen mich am Tatort gesehen haben. In dem Stuttgarter Restaurant, eine halbe Stunde vor dem Attentat. Es existiert auch ein Foto, das mich dort zeigt. Zeigen soll. Eine Frau von der Seite, Brille, blonde, halblange Haare. Die Frau in dem Ausweis, und somit wohl ich. Aber das kann nicht sein. Wer hat dieses Bild aufgenommen? Warum?

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Eine Frau, zwei Ausweise (3/6)

Zweite Julihälfte 2014

„Bitte beschreiben Sie uns das Wiedersehen mit der Frau aus dem Bus.“

Es scheint die Kommissare nicht zu interessieren, dass ich ihnen die Szene schon mehrmals geschildert habe, mir nicht sicher bin, ob es wirklich die Frau aus dem Bus war. Damals hatte ich kaum auf ihr Gesicht geachtet. Ich glaube nur, dass sie der Frau in den Ausweisen ähnelt. Aber was bedeutet das schon? Mit meiner Brille sehe ich auch so aus.

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Eine Frau, zwei Ausweise (2/6)

Februar 2014

Meine Kollegin in der Agentur ist überrascht. „Lotte, mit Brille habe ich Dich ja schon lange nicht mehr gesehen. “

„Ich trage sie kaum noch, seit ich die Kontaktlinsen habe. Aber mir war vorhin danach zumute.“

Heute morgen die Brille aufzusetzen, war eine Art Reflex wie mein Griff nach der Handtasche vor einigen Tagen im Bus. Ich hatte nicht einmal vor, nach der Arbeit zu der Wohnung zu fahren. Dennoch stehe ich nun zum zweiten Mal vor dem Haus. „Eine Frau, zwei Ausweise (2/6)“ weiterlesen

Eine Frau, zwei Ausweise (1/6)

Februar 2014

Sie hätte mir auffallen können. Vorher schon.

„Entschuldigung, das ist meine Tasche, ich gehe nur kurz vor die Tür.“ Die Frau mir gegenüber weist auf eine olivgrüne Handtasche mit silberner Schnalle, huscht aus dem Bus.

Ich schaue kurz die Tasche an, dann aus dem Fenster. Erst als der Bus anfährt, kehrt mein Blick zurück. Wo ist die Frau? Hat sie es nicht mehr geschafft, einzusteigen? War es Absicht? Was sollte das? Warum habe ich die Frau nicht genauer angesehen?

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Mittlebensgespenster

Dpb.Uhr

Vögel beobachten, bestimmen, zählen. Ein Naturschutzpraktikum auf einer unbewohnten Insel, drei Monate lang. Was für ein kurioses Angebot. Die Leute hatten es ihr vor Kurzem auf dem Sommerfest ihrer Agentur gemacht, als stünde sie nicht mitten im Job, als sei sie nicht zu alt für ein Praktikum, als sei sie kein Großstadtgewächs. Die Frau schüttelt den Kopf, glättet ihren Rock. Drei Monate in der Einöde. Ausgerechnet sie! „Mittlebensgespenster“ weiterlesen

Restzweifel

Doppelb Wolken

Die Frage, was wäre, wenn die Wolken vom Himmel fielen, konnte ihm in seiner Kindheit niemand beantworten. Weder sein Vater, der ihn immer mit zum Angeln an den großen Fluss nahm, noch seine Mutter, noch sein bester Freund. In der Schule hat er die Antwort irgendwann gelernt. Die Wolken plumpsen nicht hinab, sondern kommen als Regen, Hagel oder Schnee zur Erde. Doch ein Restzweifel ist geblieben.

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Fragen stellen

Doppelbel Welle

Er öffnet die Augen. Diese Wassermassen! Eben noch sah es so aus, als wollten sie alles Feste fortspülen. Seine Bettdecke mitreißen, seinen angstschweißnassen Körper wie ein Stück Holz wegschwemmen, um die eigene Achse wirbelnd. Drei Uhr zehn. Rote Digitalziffern leuchten neben seinem Kopfkissen.

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Endlich Luft

Ich kann mich nicht auf die Gespräche bei Tisch konzentrieren. Wortketten gleiten an mir vorbei, ohne mein Trommelfell anzustupsen. Mein Körper sitzt noch zwischen dem Meilenkontoverwalter zu meiner Rechten und dem Golfspieler zur Linken, die wie alle anderen die Aussicht auf den Fluss loben, aber meine Gedanken sind längst durch die Räume des Fischrestaurants gehüpft zur Tür. Über die Schwelle, an die Elbe. Sie sind am Ufer entlang getänzelt bis zu jenem Strauch. „Endlich Luft“ weiterlesen